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Die Faire Maus – ein Beispiel dafür, warum Transparenz in den globalen Lieferketten dringend nötig ist

Die Preise, die wir an den Kassen der Supermärkte und online Shops für Produkte aus bezahlen, lügen. Die ökologischen und sozialen Folgekosten eines Raubbaus an Mensch und Natur, wie er auch heute noch in den Minen, Fabriken und auf den Feldern Perus stattfindet, werden ausgelagert und spiegeln sich in den Preisen der Produkte nicht wieder. Das jüngst in Deutschland verabschiedete Lieferkettengesetz soll hier Abhilfe schaffen. Aber welche Konsequenzen hat das Gesetz für Mensch und Natur und warum ist es so schwer umzusetzen? Am Beispiel einer simplen Computermaus möchte ich euch die Komplexität des Themas etwas näher bringen.
Eigentlich ist es absurd, dass es im 21. Jahrhundert noch notwendig ist ein Gesetz zum Schutz von Menschen gegen Ausbeutung am Arbeitsplatz zu erlassen. Es reflektiert aber eben die traurige Realität, dass die Einhaltung von Menschenrechten in vielen Staaten bei weitem nicht selbstverständlich ist. So auch in Peru, wo ich derzeit lebe. Hier nur einige Beispiele dieser dunklen Seite der Wirtschaft: Chinesische und westliche Firmen bauen Kupfer, Silber und Gold in Peru ab. Vergiftetes Wasser, Vertreibung der Menschen aus deren Häusern und unmenschliche Arbeitsbedingungen sind nur 3 der Folgen für die Menschen, die hier leben. Die Gewinne aus dem Rohstoffgeschäft fließen größtenteils ins Ausland ab, während die ökologischen und sozialen Folgekosten im Land verbleiben und sozialisiert werden. Bergbaugemeinden wie beispielsweise der mittlerweile von den Betreiberfirmen verlassene Ort La Oraya in Peru sind die Verlierer:innen dieses Systems. Hier möchte heute niemand mehr leben, denn die jahrelange Minenwirtschaft hat Boden und Wasser durch Schwermetalle wie Schwefeldioxid, Blei und Arsen kontaminiert. Die in den Anden gelegenen Bergbaustadt La Oraya wurde vom Time Magazin in der Liste der am meisten verschmutzten Orte weltweit aufgeführt. Rund 35.000 Menschen, so schätzt Time, sind von den jahrelangen Zerstörungen direkt betroffen. Blei ist der Schadstoff, der wohl die größten Schäden anrichtet, weil die Auswirkungen auf Kinder so verheerend sein können. Hier weisen 99 % der Kinder Blutwerte auf, die die zulässigen Grenzwerte überschreiten. Der durchschnittliche Bleispiegel lag laut einer Untersuchung von 1999 um das Dreifache über dem WHO-Grenzwert. Selbst Jahre nach Schließung der Schmelzhütten, wird das verbrauchte Blei noch jahrhundertelang im Boden von La Oroya verbleiben – und es gibt derzeit keinen Plan, es zu beseitigen. Und das alles, damit wir billig Metalle aus dem Boden holen, die zum Beispiel für die Produktion einer Computer Maus notwendig sind.
Ein Schritt in die richtige Richtung mit Nachbesserungsbedarf
Das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“, so der offizielle Name des Gesetzes, soll dafür sorgen, dass Geschichten, wie die von La Oroy der Vergangenheit angehören. Das Gesetz tritt 2023 in Kraft und erfasst zunächst Unternehmen ab 3.000, von 2024 an dann Unternehmen ab 1.000 Mitarbeiter*innen. Diese Unternehmen müssen fortan bei direkten Zulieferern sowie anlassbezogen auch bei indirekten Zulieferern Risiken für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung ermitteln, Gegenmaßnahmen ergreifen und diese gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) dokumentieren.
Wie komplex eine transparente Lieferkette selbst für ein simples Produkt wie eine Computer-Maus ist, zeigt das Projekt der Fairen Maus, aus der mittlerweile der Verein Nager IT entstanden ist. Ausgangspunkt des Projektes war der Wunsch, am Beispiel der Computer-Maus eine 100%ig transparente von Lieferkette zu schaffen und eine Maus zu produzieren, die im gesamten Produktionsprozess ohne jegliche Ausbeutung hergestellt wird. Der Verein nähert sich diesem Ziel Schritt für Schritt, nach dem Motto am Fairsten → Fairer → Fair. Fair heisst bei Nager IT, das ohne Verletzung der Menschenrechte und ohne Ausbeutung (s. ILO Arbeitsnormen) produziert wird. Die nachfolgende Grafik zeigt wie schwer das ist. Grün heißt, der Verein hat sein Ziel erreicht. Gelb bedeutet, die Lieferanten sind bekannt aber es ist nicht klar unter welchen Bedingungen produziert wurde, rot heisst, dass es noch nicht gelungen ist, weitere Informationen zu bekommen.

Die nachfolgende Grafik zeigt die gesamte Lieferkette auf.

Ihr seht, trotz jahrelanger Recherche gibt es da immer noch jede Menge blinder Flecken in der Lieferkette. Und das ist „nur“ eine Computer-Maus.
Es wird Zeit, dass Ausbeutung der Vergangenheit angehört. Deutschland hat sich zur Einhaltung der Menschenrechte ebenso verpflichtet, wie die Umsetzung der SDGs (17 nachhaltige Entwicklungsziele) bis 2030. Leider gilt auch hier, den Worten folgen viel zu langsam auch Taten. Um diesen Zielen näherzukommen braucht es zunächst einmal Transparenz und Problembewusstsein. Diese herzustellen, sollte für alle Unternehmen verpflichtend sein. Es kann doch nicht sein, diese Verantwortung auf die Kunden abzuschieben. So müsste dann beispielsweise der Schraubenproduzent die Arbeitsbedingungen für seine Rohware sicherstellen. Der Hersteller von Schaltern entsprechend für seine Komponenten usw. Leider ist bis dahin noch ein weiter weg und Fair ist immer noch die Ausnahme, nicht die Regel. Aber erfreulicherweise gibt es in den allermeisten Branchen mittlerweile Pionierunternehmen, wie die Produzent:innen der Fairen Maus. Bis das zur Normalität geworden ist, gilt es mit unserem Geldbeutel abzustimmen, für Produkte die nachhaltig und fair produziert wurden.


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Autor: Frank Braun, www.fairbinden.eu

Quellen:
Bild: https://www.nager-it.de/maus
https://lieferkettengesetz.de/
https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/kinderarbeit-fragen-und-antworten/166982
https://www.ecoi.net/en/document/2048739.html
http://content.time.com/time/specials/2007/article/0,28804,1661031_1661028_1661020,00.html
https://www.nationalgeographic.com/history/article/151202-Cerro-de-Pasco-Peru-Volcan-mine-eats-city-environment
https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Aussenhandel/Tabellen/rangfolge-handelspartner.pdf?__blob=publicationFile
https://bdi.eu/artikel/news/auf-dem-weg-zu-einem-europaeischen-lieferkettengesetz/
https://peruconsult.de/top-20-die-groessten-unternehmen-in-peru/
https://minsus.net/seminario-analizo-el-impacto-de-las-regulaciones-de-debida-diligencia-en-las-cadenas-de-suministro-en-europa-para-el-sector-minero-de-la-region-andina/